Glücklich mit Tweed
Entsprechend selig war ich bei der Entdeckung, dass auch die deutsche Garnmanufaktur Atelier Zitron eine Vorliebe für Tweed hat und hochwertiges Garn mit den tweed-typischen Einsprengseln herstellt. Falls du wissen möchtest, warum ich generell die Garne von Atelier Zitron schätze,
klicke bitte hier.
Mit der „Trekking Tweed“ hat Atelier Zitron das traditionelle Garn in ein bekömmliches Strick-Leckerli verwandelt, mit dem wir Socken, Accessoires oder andere herrliche Projekte stricken können, die nicht nur in die kargen Landschaften schottischer Gefilde passen, sondern auch in unsere urbanen Lebensräume. Gelungen ist Zitron dies mit einem ordentlichen Schuss Farbe und jeder Menge weicher Wolle.
Geschichtsstoff
Erstaunlicherweise begann die Erfolgsgeschichte des Tweed gar nicht als Garn, sondern als rauer, derber, filziger Woll-Stoff, der im 18. Jahrhundert in den unwirtlichsten Gegenden Schottlands und Irlands entwickelt wurde. Seine Webart, die als Köperbindung bzw. Twill bekannt ist, erzeugt einen Stoff mit charakteristischer Diagonalstruktur, der dicht, nachgiebig und haltbar zugleich ist.
Stoff mit Funktion
Wie so viele Erfindungen wurde auch Tweed aus einer Not(-wendigkeit) geboren. Damals konnte es sich die einfache Bevölkerung Schottlands nicht leisten, bei ihrer Kleidung so prätentiös zu sein wie wir heute. Ansprüche an bequeme, pflegeleichte oder knitterarme Klamotten lagen noch Lichtjahre in der Zukunft. Es ging einzig und allein darum, sich vor Nässe und Kälte zu schützen. Der ganze Kleiderschrank bestand aus Basics. Und die aus kratzigen, schweren oder harten Materialien. Lange, bevor es schick wurde, war man darauf angewiesen, regional und saisonal zu denken und zu handeln. Und so machte man sich das zunutze, was man vor der Haustür fand: Schafe, die dank ihrer ruppigen Wolle überlebten.
In Heimarbeit färbte man die schwere Wolle mit Farbstoffen aus Kräutern, Wurzeln, Flechten, Heide und Getreide, was die Farbpalette des Tweeds prägte, in der bis heute Grün, Braun, Rot, Orange, Schwarz und Grau dominieren. Um eine größere Farbtiefe und Zwischentöne zu erzeugen, wurden die Partien nach dem Färben geschreddert und portionsweise neu miteinander vermengt, bevor die Melangen zu Streichgarn versponnen und schließlich zu Stoff verwebt wurden. Dass besonders Mäntel und Decken aus Tweed mit der Zeit vom Tragen speckig und immer wasserdichter wurden, läutet die Anfänge der Funktionsbekleidung ein.
Stoff mit Status
Etwas später entdeckte eine ganz andere Schicht des Vereinigten Königreiches den Tweed für sich. Diese ging nicht etwa bei Wind und Wetter vor die Tür, um zu arbeiten, sondern ausschließlich, um Zeit und Tiere totzuschlagen. Die Rede ist von der englischen Aristokratie des 19. Jahrhunderts, die sich in Tweed-Kleidung hüllte, um auf der Jagd, beim Fischen, Spazieren oder Reiten durch Wald und Flur nicht zu frieren. Tweed war der Camouflage-Stoff der damaligen Zeit. Denn dass die Großgrundbesitzer in ihrem naturfarbenen Tweed auf der Jagd mit der schottischen Landschaft verschmolzen, war ein willkommenes Feature des mittlerweile richtig in Mode gekommenen Stoffes.
Es lebe der Sport
Kaum vorstellbar, aber der Siegeszug des Tweeds nahm in der viktorianischen Zeit weiter Fahrt auf. Denn das Gewebe, das dicht und nachgiebig zugleich war und viel Bewegungsfreiheit ließ, erwies sich als ideales Material für Outdoor-Sportarten, die plötzlich in gut betuchten Kreisen schwer angesagt waren wie Golf, Tennis, Radfahren, Motorsport und Bergsteigen.
Der Legende nach stammt der Name „Tweed“ übrigens von einem englischen Kaufmann, der in einem handgeschriebenen Text das Wort „Tweel“ als „Tweed“ entzifferte, weil er den gleichnamigen Fluss kannte. Wieso sein Missverständnis dazu führte, dass alle Welt seitdem statt des schottischen Wortes „Tweel“ für „Twill“ lieber von „Tweed“ spricht, gehört zu den großen Mysterien der Menschheit.
Schick in Strick
Leider ist nicht dokumentiert, ob es Absicht oder ein Missgeschick war, dass irgendwann in Irland eine kleine Menge schwarzer Woll-Schnipsel in einer größeren Menge heller Wolle landete. Sicher ist, dass so oder so ähnlich die Art Garn erfunden wurde, nach der auch die „Trekking Tweed“ gemacht ist: Melangen mit andersfarbigen Schnipseln. Seitdem kann man mit Tweed nicht nur schneidern, sondern auch stricken.
Tweed 2.0
Abgesehen von zertifizierten Stoffen wie „Harris Tweed“, „Donegal Tweed“ oder „Cheviot Tweed“ wird Tweed heute auch mit Kaschmir, Kamelhaar, Mohair und Alpaka veredelt. Und seit Tweed nicht mehr nur mit natürlichen Farbstoffen gefärbt wird, ist der Traditionsstoff jenseits von Moosgrün und Schlammbraun endgültig im Hier und Heute angekommen.
Übrigens kannst du die vielen Farben der „Trekking Tweed“ perfekt mit den Unis der „Trekking Sport“ kombinieren, denn beide Garne haben dieselben Eigenschaften. Alle Details beschreibe ich
hier. Und damit du alle Farben auf einen Blick siehst, findest du beide Qualitäten untereinander hier auf dieser Seite und in umgekehrter Reihenfolge bei „Trekking Sport“.
Happy Knitting!