Kopfsprung in Wolle
Schon lange, bevor ich mit dem Sockenstricken anfing, war ich in Sachen Garn-Recherche und -Einkauf unterwegs, und zwar mehr geschäftlich als privat. Für unser 2007 gemeinsam gegründetes Label www.UPPERCASE.de, für das ich seit 2007 Schals und Plaids gestalte, waren wir auf diversen Garnmessen im In- und Ausland unterwegs. Ich erinnere mich noch gut an unsere ersten Besuche der h&h Cologne, der weltweit größten Fachbesucher-Messe rund um Handarbeitszubehör, die jährlich in Köln stattfindet. Wenn man Garn liebt wie ich, ist diese Messe wie ein Bälle-Bad. Man möchte hineinspringen in die Unmengen an herrlich bunten Wollknäuel, sich darin wälzen, abtauchen und am liebsten über Nacht in den Hallen einschließen lassen. Es ist ein Hochgenuss.
Messe-Modus: AN
Doch nach wenigen Stunden des verzückten Schwelgens setzt die totale Ermattung ein. So viel Wolle auf einen Schlag verkraftet das Gehirn nicht. Man merkt schnell, man muss filtern, sich auf das fokussieren, was man wirklich anschauen sollte. Man ist ja schließlich nicht zum Vergnügen da. Der Messe-Modus im Kopf setzt ein. Ab da hört die zeitraubende Schwärmerei auf und die professionelle Sichtung beginnt. Eine Art „Wool Blindness“ wird aktiviert. Bei mir war es zum Zeitpunkt, als ich schon mit der Idee eines Onlineshops rund ums Sockenstricken schwanger ging, ganz klar die Kategorie „Selbstmusterndes Sockengarn“, die ich aktiv ausblendete. Aber wieso?
Design-Check
Vielleicht ist es meinem Beruf als Grafik- und Interieur-Designerin geschuldet und dass ich Gestaltung von der Pike auf gelernt habe. Seitdem kenne ich die Regeln und wende sie seit 25 Jahren tagtäglich an. Für mich ist die ganze Welt eine Art Design-Show. Ich kann nichts betrachten oder benutzen, ohne die Gestaltung sehr bewusst wahr- bzw. auseinanderzunehmen. Keine Verpackung, kein Restaurant, kein Werbespot, kein Netflix-Filmset ist davor sicher. Ich checke das Design rauf und runter, jede Minute, überall. Eine Art Berufskrankheit, aber eine, die ich liebe.
Schlimm bis gruselig
Und natürlich passiert genau das auch bei selbstmusternden Sockengarnen. Alter, was ist da bloß los?! Ohne hier konkret werden zu wollen, finde ich sehr viele von ihnen schlimm bis gruselig. Aus meiner ganz persönlichen Sicht (Achtung! Meinung, keine Fakten) werden für viele selbstmusternden Sockengarne die einfachsten Gestaltungsregeln für Farbharmonien, Klarheit, Prägnanz und Alltagstauglichkeit ignoriert. Das Ergebnis sind Wirrwarr-Sockengarne, die keinerlei Design-Konzept erkennen lassen und zu keinem Outfit passen. Schade ums schöne Material. Sie sind der Grund, warum bei mir für diese Art Garn der Blindness-Effekt einsetzt. Ich spare mir die aktive Auseinandersetzung mit ihnen, denn ich möchte sie sowieso nicht in unser Sortiment aufnehmen.
Colourblocking trifft schmale Ringel
Aber wie die Firma Gründl beweist, kann man die Technik zum Bedrucken von Garnen auch für Sockenwolle mit gefälligem Design anwenden. Die „Hot Socks Arco“ ist so ein Beispiel. In dem klassischen Sockengarn wechseln sich breite Farbblocks mit fein geringelten Abschnitten ab. Alles, außer gewöhnlich. Bravo! Das nenne ich Gestaltung. Und auch die Farbkombinationen sind ein Fest fürs Auge. Es gibt dezente und knallige Färbungen, die allesamt tragbare Socken (oder Handschuhe oder Mützen) ergeben.
Streifen stricken wie ein Boss
Breite Blockstreifen aus einfarbigen Garnen zu stricken, ist gar nicht so schwer, wenn man Fädenvernähen mag. Schmale Streifen aus zwei Runden zu stricken, ohne dass ein Versatz entsteht, ist da schon eher eine Herausforderung und erfordert Spezialwissen und Tricks. Was auch dann bleibt, wenn man das alles beherrscht, ist die Herausforderung, Farben zu kombinieren. Das macht zwar Spaß, ist aber dennoch ein nicht zu unterschätzender zeitlicher und geistiger Aufwand. All diese kleinen Hürden fallen bei der „Arco“ weg. Selbst Sockenstrick-Azubis können mit diesem Garn Streifen stricken wie ein Boss bzw. Profi. Niemand wird auch nur ahnen, dass du die schönen Streifen nicht selbst designt hast. Klasse, oder?!
Reiseziel
Übrigens ist die
Arco nicht wie die
Ledro und
Lago nach einem See in Italien benannt, sondern nach der malerisch gelegenen Stadt „Arco“ nördlich vom Gardasee. Ich habe sie bereits als Wunschziel auf meiner Maps-Liste gespeichert. Da will ich unbedingt mal hin und die passenden Socken ausführen. Buon piano?
Happy Knitting!
+ + + WICHTIGER HINWEIS + + +
Weitere Detail-Informationen zu den Socken, dem Garn und den verwendeten Farben mit den exakten Farb-Nummern findest du in der Foto-Collage hinter allen Bildern mit einem eingekreisten
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Danksagungen
Ich bedanke mich ganz herzlich für die Unterstützung beim Stricken von jeweils einem Swatch bei diesen Strickerinnen.
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