Bitte kein Gelb
Ich durchstreifte also die Handarbeitsabteilung, nahm sämtliche Wollknäuel in die Hand, studierte Banderolen und fand heraus, dass die angenehmsten Garne KEINE Sockenwolle waren und die meisten Sockengarne meinen empfindlichen Füßen nicht gefallen würden.
Und da war da noch dieses Regal voller Sockenwolle, bei der mich weniger der Griff abschreckte, sondern vielmehr die Farbgebung. Jedes Knäuel, egal in welcher Kolorierung, hatte ein völlig unpassendes Gelb dabei. „Echt jetzt, Leute?! Euer Ernst?!“ Meine innere Empörung über eine derart unfähige Designabteilung dieser Garnmarke konnte die Verkäuferin, die auf mich zusteuerte, zum Glück nicht hören.
Verstörender Bestseller
„Kann ich Ihnen helfen?“, fragte sie mich freundlich. „Ja, ich bin auf der Suche nach Sockengarn. Es soll weich sein und kein Gelb enthalten, wie diese ganze Serie hier,“ sagte ich mit leichtem Ekel in der Stimme und zeigte auf das Regal, das von oben bis unten mit gelb durchzogenen Knäuel bestückt war. „Diese Serie gehört zu unseren Bestsellern“, erwiderte die Verkäuferin voller Stolz und ich traute meinen Ohren nicht. Wie bitte?! – hörte ich mich denken. Für mich war dieses Garn optischer Sondermüll und andere kauften es?! Und zwar gern?? Himmel! Was lief schief mit der Menschheit?!
Doch bevor ich mich weiter in den Gedanken hineinsteigern konnte, wie kaputt eigentlich unsere Gesellschaft sein musste, wenn Leute Wolle in rauen Mengen kauften, die ganz offensichtlich die hässlichsten Socken der Welt ergäben, klärte sie mich auf: „Ja, aus diesem Garn lassen sich ganz einfach zwei identisch gemusterte Socken stricken. Der gelbe Faden wird nicht mitgestrickt, sondern markiert nur den Anfang von Socke eins und auf der Hälfte des Knäuels noch mal den Anfang von Socke 2.“
Peinlicher Aha-Moment
Ich war perplex und versuchte, meine peinliche Ahnungslosigkeit trotz offener Kinnlade zu überspielen! Hier, mitten in Hamburg, stand ich da als die allerletzte Strickerin auf der Welt, die noch nie von dieser Art Sockenwolle gehört hatte. Jedenfalls spiegelte das der mitleidige Blick der Verkäuferin wider. Wovon sie zum Glück nichts ahnte, war mein Schamgefühl für meine grenzenlose Überheblichkeit, die mich hatte annehmen lassen, alle anderen außer mir litten an fortgeschrittener Geschmacksverirrung. Dabei war das scheußliche Gelb im Garn eine der besten Ideen aller Zeiten!!! Klar, die Menschheit hatte Pyramiden erbaut, war zum Mond geflogen und konnte vegane Schnitzel servieren. Aber was ich nun vor mir sah, war ja wohl der Gipfel des Einfallsreichtums! Sockengarn mit dem „Faden der Ariadne“!!! Wie geil war das denn bitte!
Der Faden der Ariadne
Soviel zu meiner ersten Begegnung mit Sockenwolle für zwei gleichgemusterte Socken. Damals ahnte ich natürlich nicht, dass ich einen Instagram-Account voller Socken starten würde, der mich zum eigenen Webshop rund ums Sockenstricken inspirieren würde, in dem es eines Tages Garn mit dieser Erfindung gäbe.
Doch bevor ich dir nun die „Hot Sock Simila“ vorstelle, verrate ich dir noch, warum mich der grüne Faden in jedem Knäuel dieses Gründl-Garns an den „Faden der Ariadne“ erinnert.
Exkursion nach Kreta
Laut griechischer Mythologie sperrte Minos, König von Kreta, den stierköpfigen Minotaurus, den seine Gemahlin nach einem Seitensprung zur Welt gebracht hatte, in ein Labyrinth, um die Schande zu vertuschen. Eine suboptimale Lösung, denn das Untier ernährte sich recht einseitig vom Fleisch jungfräulicher Menschen. Jahr um Jahr wurden dem Monster im Labyrinth blutjunge Athener:innen zum Fraß serviert. Das konnte so auf Dauer keiner wollen. Minotaurus musste weg. Theseus, der sich in Ariadne, die Tochter von König Minos verliebt hatte, erklärte sich bereit, den schmutzigen Job zu machen.
Ariadne wusste um die Unmöglichkeit, aus dem Labyrinth herauszufinden und gab ihrem Liebsten Theseus deshalb ein Wollknäuel mit. Er sollte es auf seinem Weg zum Monster ausrollen. Der Plan ging auf. Minotaurus wurde getötet und Theseus fand am Faden entlang aus dem Labyrinth heraus. Seitdem steht der „Ariadnefaden“ sinnbildlich für einen Ausweg aus einer unüberschaubaren Situation.
Simila und Ariadne
Wer schon mal versucht hat, aus einem selbstmusternden Garn zwei identische Socken zu stricken, weiß, dass das manchmal recht unüberschaubar sein kann. Man muss schon genau hinsehen, um im Farbrapport die Stelle zu finden, mit der eine gleich gemusterte zweite Socke anfangen muss. Bei der „Hot Socks Simila“ ist das ein Kinderspiel, denn ein knallgrüner Faden dient der Orientierung. Er markiert die beiden Anfänge der Socken. Genaues dazu findest du nicht nur auf der Banderole des Knäuels, sondern auch hinter meinen Fotos hier im Moodboard mit dem kleinen „i“. Einfach anklicken.
5 Wölkchen
Ansonsten ist das selbstmusternde Sockengarn mit 400 Metern Lauflänge und klassischem 75-25-Mix so gut wie seine Geschwister
Madena,
Ledro,
Lago,
Arco und
Color – einfach Strickspaß pur in schönen Farben.
Happy Knitting!
+ + + WICHTIGER HINWEIS + + +
Weitere Detail-Informationen zu den Socken, dem Garn und den verwendeten Farben mit den exakten Farb-Nummern findest du in der Foto-Collage hinter allen Bildern mit einem eingekreisten
. Einfach anklicken und schlauer werden.
Danksagung
Ich bedanke mich ganz herzlich für die Unterstützung beim Stricken der Socken bei diesen Strickerinnen
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